Am Montag habe ich meine Begrüßungsrunde zum Direktor von St. Camille, Monsieur Siluė und seinen Mitarbeitern, dann zur Psychiatrischen Männerklinik (im weiteren einfach „Nimbo“ genannt) und dann zur psychiatrischen Frauenklinik („CHU“ sprich „Schü“) gemacht. Überall wurde ich aufs Herzlichste Willkommen geheißen. Es ist schön, wiederzukehren, die Beziehungen zu erneuern und zu vertiefen.
Albert zum Beispiel, der einzige Krankenpfleger vor Ort, war bei meinem ersten Besuch sehr skeptisch, und mein Auftreten war eher unbekümmert, man könnte auch sagen naiv und etwas ignorant. Heute hatten wir einen besseren Start, mein Verständnis für seine Arbeit war größer und er vertraute mir offensichtlich etwas mehr, so dass wir sogar ein paarmal gemeinsam lachen konnten. Ja, wie dachte ich damals, was er alles tun sollte! Wenn ich mir das jetzt vor Augen führe, muss ich wirklich Abbitte leisten. Aber daran sieht man auch, wie unvorstellbar die Arbeit hier ist.
In Zahlen: In Deutschland sind 2 Ärzte/Psychologen für ca. 20 Patienten zuständig. Dazu kommen 3×2 (pro Schicht mindestens 2) oder mehr Krankenschwestern/-pfleger sowie diverse Therapeuten.
Hier versorgt Albert anstelle des Arztes, den es nicht gibt, morgens eine Ambulanz, überwacht Aufnahmen und ist erster Ansprechpartner für 276 stationäre Patienten von Nimbo. Nachmittags dasselbe in der Frauenklinik mit ca. 130 Patientinnen. Dazwischen muss er noch schnell in die staatliche Klinik, wo seine Mitarbeiter die Stellung halten und er die notwendigen Formulare etc. unterschreibt oder zu Notfällen gerufen wird, denn eigentlich ist er dort angestellt. Das staatliche System hier im Land erlaubt Beamten, neben ihrer eigentlichen Tätigkeit, in nicht staatlichen Unternehmen zu arbeiten. So fährt Albert täglich zwischen 3 Kliniken hin und her. Es gibt einen einzigen Arzt, Dr. Diomondé, der ebenfalls für alle diese Einrichtungen zuständig ist, dazu aber noch die anderen Städte der nördlichen Hälfte des Landes versorgt. Die Arbeit direkt an den Patientinnen und Patienten, die Anamnese, Datenerhebung etc. wird von angelernten Kräften ausgeübt. Kein Wunder, dass keine Zeit bleibt für intensivere Beschäftigung mit den einzelnen!
Ach ja, ich vergaß noch: mehrmals im Monat fährt Albert über Land zu Gesundheitsstützpunkten und hält dort Ambulanz ab für die, die sich die Reise in die Stadt nicht leisten können. (Nebenbei: als verbeamteter Krankenpfleger in der staatlichen Klinik müsste er nur 4-5 Stunden täglich arbeiten…)
Der unbedarfte Blick von außen sieht: ein Ende 40jähriger Mann sitzt den ganzen Tag hinter seinem Schreibtisch. Er macht keine Visite, führt keine Einzelgespräche, telefoniert/spricht kaum mit Angehörigen, leitet keine Gruppen und überprüft die Medikation der stationären Patienten nur, wenn diese ihm von den anderen Mitarbeitern vorgestellt werden.
Ein genauerer Blick zeigt: hier sitzt ein Mann, der psychiatrisch mindestens so gut ausgebildet ist wie bei uns die Ärzte, der weiß, was möglich wäre, und der sehr gerne regelmäßige Visiten abhalten würde. Der aber stattdessen den Mangel verwaltet und sich selbst jeden Anspruch an Mehr abgewöhnen muss. Und der eine ungeheure Verantwortung trägt. Denn wer würde in Deutschland schon bereit sein, die Verantwortung für 400 stationäre PatientInnen zu tragen?
Es war berührend, seine Gesichtszüge zu beobachten, als es darum ging, endlich einen zweiten Krankenpfleger einzustellen. Die Aussicht, diese enorme Last teilen zu können, diese Erleichterung, allein bei dem Gedanken daran.
Wie würden meine christlichen Freunde in der hiesigen Mission sagen: bitte betet darum, dass es bald möglich wird, einen zweiten Krankenpfleger einzustellen! Und wer es nicht so hat mit dem Beten, ist herzlich eingeladen, eine Geldspende zu leisten (Kontonummer etc. unter http://www.Kettenmenschen.de), damit wir dauerhaft eine Stelle finanzieren können. Es braucht nicht viel, jeder noch so kleine Beitrag hilft, pro Monat sind es ungefähr 300,- Euro, die benötigt werden, um einen Krankenpfleger zu bezahlen.
Danke an alle, die so oder so helfen!